Karate-Do ist eine Kunst. Eine Körper- und
Kampfkunst und eine Methode der Selbstverteidigung. Sie ist auch ein
Weg zur Weiterentwicklung der Persönlichkeit und zur Festigung des
Charakters, der schließlich zu einem inneren Wachstum führt.
Karate-Do ist somit nicht nur eine Disziplin der Körperbeherrschung,
sondern auch eine Schule der Geistesbildung, die einen das ganze Leben
lang begleiten sollte. Meister
Gichin Funakoshi schrieb hierzu:
”So wie die blanke Oberfläche eines Spiegels alles wiedergibt, was
vor ihm steht, und wie ein stilles Tal selbst den schwächsten Laut
weiterträgt, soll der Karateschüler sein inneres leer machen von
Selbstsucht und Boshaftigkeit, um in allem, was ihm begegnen könnte,
angemessen zu handeln.”
In dem südlich von Japan gelegenen Land,
dem früheren Königreich der Ryukyu-Inseln - der heutigen Präfektur
Okinawa - stand einst die Wiege des Karate. Niemand weiß, wann auf den Ryukyu das Karate zum ersten mal in Erscheinung trat. In der
Vergangenheit wurde diese Kunst von Außenstehenden stets streng geheim
gehalten; daher sind uns von ihr keine schriftlichen Nachrichten
überliefert.
Zweimal in der Geschichte der Ryukyu- Inseln wurden Waffen durch einen
Regierungserlass verboten; das erste mal vor über fünfhundert Jahren und
ein zweites mal zweihundert Jahre später. Diese Verbote übten natürlich
einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung des Karate aus.
Die meisten Historiker stimmen darin überein, dass die einzigartige okinawanische Form des waffenlosen Kampfes, das Karate, seine Entstehung
diesem zweiten Verbot verdankt, denn es zwang die Einwohner Ryukyus
dazu, ein Mittel zur waffenlosen Selbstverteidigung zu finden.
Wahrscheinlich sind einige der waffenlosen Kampftechniken schon vor dem
Einfall der Satsuma (1609) ausgeübt worden, so dass dieses neue Verbot
nur die Fortentwicklung bereits existierender Methoden beschleunigte.
Natürlich könnten auch einige Kenpo-Stile in ihrer ursprünglichen
Form überliefert worden sein. Jedenfalls ist es denkbar, dass die beiden
Vorläufer des Karate-Do, das Okinawa-te und das To-de, in etwa dieser
Weise entstanden sind, wobei sich das Erstgenannte auf die chinesische
Kenpo-Tradition, das Letztere dagegen auf einheimische Kampftechniken zu
beziehen scheint. Die Geschichte der Kampfkünste in China kann mehr als
sechstausend Jahre zurückverfolgt werden.
In dieser kriegerischen Zeit wurden aus der Notwendigkeit heraus, den
Feind auf dem Schlachtfeld zu bezwingen, ständig neue Kampfmethoden und
Techniken erfunden. Diese alten Kampftechniken wurden erstmals durch die
Bemühungen dreier Männer, Ta Shang Lao-ch'un, Ta-yi Chen-jen und
Yuan-t'ien, systematisiert. Sie schufen, was man die ”Drei Primitiven
Schulen der Kampftechniken” nennen könnte. Ihre Systeme wurden über
Generationen von Schülern hinweg weitergegeben. Es wurden Verbesserungen
vorgenommen, die schließlich zu den hochverfeinerten Techniken unserer
Tage führte.
Kara - Leer
Te - Hand
Do - Weg
Weg der leeren Hand!
In den Anfängen gab es mehrere Bezeichnungen für die heute so bekannte Kampfkunst Karate-Do. Diese waren Okinawa-Te, Tode oder auch einfach nur Te. Mit der Zeit erfolgte schließlich eine Wandlung des Wortes Tode in Karate-Do. Diese Bezeichnung entstand wohl im Jahre 1929 und soll damals von Meister Gichin Funakoshi eingeführt worden sein.
Mitentscheidend für die Wandlung war die Aussprache. Die Silbe To im Wort Tode kann auch als Kara ausgesprochen werden und De hat die gleiche Bedeutung wie Te. Aus Tode entstand das Wort Karate. Anfangs hatte das Schriftzeichen Kara die Bedeutung China, wurde jedoch aus mehreren Gründen in Leer geändert. Zum einen war es der philosophisch-moralische Sinngehalt der Silbe Leer, zum anderen sollten die Assoziationen zu China vermieden werden, wegen des japanischen Nationalismus jener Zeit. Und nicht zuletzt sollte der Aspekt der Waffenlosigkeit hervorgehoben werden.
Sho (matsu) - Kiefer, Pinie
To - Welle, Woge
Kan - Großes Gebäude/Halle
Gichin Funakoshi
Der Begriff Shotokan setzt sich aus drei japanischen Zeichen zusammen. Diese sind Sho (Pinie, Kiefer), To (Welle, Woge) und Kan (Großes Gebäude, Halle). Die ersten beiden Symbole bilden zusammen den Begriff Shoto, der auch den Künstlername Gichin Funakoshis darstellte. Die hierfür zu findenden Übersetzungen werden meist mit ”Rauschen in den Kiefern” bzw. ”Pinienrauschen” angegeben. Die Pinie ist eine Kiefernart auf Okinawa mit einem starken Wurzelwerk. Das deutet darauf hin, daß Gichin Funakoshi die Fähigkeit zu einem sehr starken Stand besaß (erdverwachsen war). Die Welle wird im japanischen eigentlich mit nami bezeichnet. Die hier angesprochene Welle ist dagegen weitaus mehr. Es ist die große Welle, die nach einem Seebeben kommt und alles mit einer einzigen Bewegung zerstören kann. Sie steht hier für die Härte und Zerstörungsenergie der Technik. In einem Gespräch erklärte Kase Sensei: ”Funakoshi Gichin wurde von seinen Schülern Shoto genannt. Es sollte ein Ausdruck der Bewunderung für seine Art von Karate-Do sein. Shoto ist also nicht das sanfte Pinienrauschen, es ist die Bewunderung für die alles zerstörende Technik aus einem guten Stand heraus.”